Biogas als Alternative zu Erdgas

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Biogas als Alternative zu Erdgas

Bio“ gilt vielen Menschen als herausgehobenes Qualitätsmerkmal, das zusätzlich auch noch zum Umweltschutz beiträgt. Da liegt es nahe, auch „bio“ heizen und Strom verbrauchen zu wollen. Umso mehr, wenn Alternativen teuer geworden sind und/oder als politisches Machtinstrument missbraucht werden. Biogas vom örtlichen Landwirt statt Erdgas aus Sibirien, das klingt schön. Leider etwas zu schön, um wahr sein zu können. Biogas kann zwar eine Alternative zu Erdgas sein, aber auf absehbare Zeit nur in begrenztem Maße. Zudem hat es Nachteile, die für manche Experten zu gravierend sind, um es guten Gewissens empfehlen zu können. Wir klären über die Hintergründe auf.

Biogasanlage © Countrypixel, fotolia.com
Biogasanlage © Countrypixel, fotolia.com

„Biogas ist eine wichtige Säule des zukünftigen Energiesystems, da es speicherbar, flexibel nutzbar und grundlastfähig ist“, schreibt das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Das Umweltbundesamt indes zeigt sich wesentlich kritischer: Studien hätten gezeigt, dass Wind- und Solarenergie der Biomasse in der Flächeneffizienz um ein Vielfaches überlegen sei. Der Anbau von Biomasse könne außerdem mit vielfältigen negativen Wirkungen auf Mensch und Umwelt verbunden sein. Die Potenziale für Energie aus biogenen Abfall- und Reststoffen wiederum seien insgesamt „relativ klein“.

So entsteht Biogas
So entsteht Biogas

Biogas-Tarife sind Mangelware

Der Teufel beim Biogas steckt in vielen Details, die der theoretisch guten Idee praktisch viele Grenzen setzen. Es ist kein Wunder, dass reine Biogas-Tarife in den vergangenen Jahren nicht über ihren Nischenstatus hinausgekommen sind. Sie sind im Vergleich zu herkömmlichen Erdgastarifen um einiges teurer. Ohnehin gibt es nur wenige Energieversorger wie derzeit etwa Polarstern oder EWS Schönau, die sie überhaupt anbieten. Ökogastarife, bei denen herkömmlichem Gas ein kleiner Anteil von meist 10 Prozent Biogas beigemischt ist, sind etwas häufiger, konnten sich aber bislang auch nicht flächendeckend durchsetzen. Das Beispiel des Anbieters Naturstrom ist symptomatisch: Er hat seinen 100-Prozent-Biogas-Tarif für Neukunden ausgesetzt und bietet nur noch einen 10-Prozent-Ökogas-Tarif an.

Biogas-Tarife sind selten und teuer
Biogas-Tarife sind selten und teuer

Das Unternehmen begründete den Stopp mit einem Mangel an dem Brennstoff – und nennt damit ein erstes großes Problem von Biogas. Silomais, auch Energiemais genannt, spielt eine Hauptrolle bei der Erzeugung von Biogas aus nachwachsenden Rohstoffen. Er ist für Menschen nahezu ungenießbar. Wenn aber ein Landwirt auf hohen Ertrag getrimmte Energiepflanzen auf seinem Ackerboden pflanzt, können dort keine Nahrungsmittel mehr produziert werden. Die Diskussion wurde schon bei der Einführung von E10-Benzin treffend mit „Teller oder Tank“ auf den Punkt gebracht. Angesichts von Abermillionen Menschen, die Hunger leiden, stellen sich da schnell moralische Fragen.

Biogas ist nicht immer bio
Biogas ist nicht immer bio

Darüber hinaus gelten landwirtschaftliche Monokulturen als schädlich für die Natur und die Artenvielfalt. Des Weiteren können bei der Biogaserzeugung gefährliche Nebenprodukte wie Ammoniak oder Schwefelwasserstoff entstehen. Solange sie in der Anlage bleiben, stellen sie kein Problem dar. Geraten sie aber in die Umwelt, können sie Böden und Grundwasser schädigen. Dem Umweltbundesamt zufolge geraten außerdem durchschnittlich etwa 5 Prozent des in Biogasanlagen produzierten Methans unkontrolliert in die Atmosphäre.

Nachteile von Biogas
Nachteile von Biogas
CO2-Bilanz: Vergleich Biogas und Erdgas
CO2-Bilanz: Vergleich Biogas und Erdgas

Potenzial von Biogas ist begrenzt

Einer Ausweitung der Produktion waren bislang aber auch politische Grenzen gesetzt. Biogasanlagen durften eine jährliche Maximalproduktion nicht überschreiten. Im Zuge des Energiesicherungspaketes aus dem Juli 2022 setzte das Bundeswirtschaftsministerium die Deckelung aus. Nach Angaben des Hauptstadtbüros Bioenergie ließen sich kurzfristig etwa 20 Prozent Leistung im aktuellen Biogasanlagenbestand zusätzlich mobilisieren. Trotzdem sind die Zahlen marginal. Einer Studie des Deutschen Biomasseforschungszentrums zufolge beträgt der Anteil von Biomethan, also aufbereitetem Biogas, am deutschen Gasmarkt nur ein Prozent. Mittelfristig könne dieser Anteil lediglich auf drei Prozent des Gasverbrauchs erhöht werden. Ein Grund dafür ist, dass die nötige Aufbereitung teuer und aufwendig ist. Bei einer Vor-Ort-Verstromung, die ohne Aufbereitung auskommt, ließen sich immerhin bis zu 46 Prozent des momentan durch Gaskraftwerke erzeugten Stroms aus Biogas decken. Bislang decken die Biogasanlagen gut 5 Prozent der gesamten Stromproduktion in Deutschland.

Die Nachfrage nach Biogas steigt stetig
Die Nachfrage nach Biogas steigt stetig

Zudem muss man Abstriche bei den ökologischen und ethischen Ansprüchen machen. So wurden die Vorschriften für bestimmte Anlagen befristet bis Ende 2024 gelockert: Ein Teil ihrer genutzten Biomasse kann nun aus Betrieben aus bis zu 50 Kilometer Entfernung statt aus der Nachbarschaft stammen, und auch gewerbliche Tierhaltungsbetriebe können befristet einbezogen werden.

Selbst wenn man die negativen Folgen in den Wind schlagen würde, muss man doch feststellen, dass alles mit allem zusammenhängt. Denn die Preise haben im Allgemeinen und im Landwirtschaftssektor im Besonderen angezogen. Das liegt nicht nur an höheren Kosten für Personal und Energie. Die Ukraine galt auch als „Kornkammer Europas“. Nun wird Ersatz gesucht und gefunden, indem viele Flächen in anderen Ländern wieder zur Erzeugung von Nahrungsmitteln genutzt werden.

Erdgas kann nur sehr begrenzt durch Biogas ersetzt werden
Erdgas kann nur sehr begrenzt durch Biogas ersetzt werden

Aus Gülle Gold machen?

Vielleicht kann man ja doch noch mehr aus dem Abfall machen? Bislang stammten nämlich nur etwa 20 Prozent der in Biogasanlagen erzeugten Energie aus Bioabfällen, Reststoffen und Gülle. Aber auch das hat Gründe. Denn dahinter steckt eine enorme Infrastruktur der Wiederverwertung. Anders ausgedrückt: Bis der Müll aus der eigenen Biotonne zu Biogas werden kann, muss er eingesammelt, transportiert und weiterverarbeitet werden. Lange Fahrten trüben aber die Ökobilanz, ganz abgesehen von den Kosten und auch von den Geruchsbelästigungen, die damit einhergehen. Es gibt bei biogenen Abfällen und Gülle zwar noch buchstäblich Luft nach oben, aber auch dieses Potenzial ist begrenzt, zumal längst nicht alle Anlagen dazu in der Lage sind, diese zu verarbeiten – oder sie müssten erst teuer umgerüstet werden.

In puncto Umweltprobleme und Energieaufwand sei allein Biomethan aus Grünabfall „unproblematisch“, heißt es bei der Verbraucherzentrale. Doch dieser sei in Deutschland nur begrenzt verfügbar und „wirklich klimafreundliches Biomethan“ folglich auch selten. Seine geringen Mengen sollten sinnvollerweise dort genutzt werden, wo die meiste Energie-Ausbeute entsteht: in der kombinierten Erzeugung von Strom und Wärme in Blockheizkraftwerken.

Aus Biomasse und Biogas wird Strom
Aus Biomasse und Biogas wird Strom

Fazit: Biogas ist Teil der Lösung, aber nicht die Lösung

Unter dem Strich bleibt die Erkenntnis, dass Biogas lediglich eine sehr begrenzte Alternative zu Erdgas ist. Nicht nur, dass die wenigen verfügbaren Tarife für Endkunden vergleichsweise teuer sind. Die Technologie ist auch mit einigen Einschränkungen behaftet, die zu negativen Auswirkungen auf die Umwelt und die Nahrungsmittelsicherheit führen können. In einzelnen Fällen können die Vorteile zwar überwiegen, weshalb Biogas seine Berechtigung auf dem Markt hat.

Seinen eigenen kleinen Teil zur sicheren Energieversorgung kann es ohne Zweifel beitragen, insbesondere bei der Verstromung vor Ort. Eine alleinige Lösung für eine drohende Energieknappheit ist es aber auf absehbare Zeit nicht. Moralisch und finanziell lohnenswerter dürfte in der Regel für viele Verbraucher sein, perspektivisch auf einen anderen Energieträger als Gas umzusteigen.

Biogas © Jürgen Fälchle, fotolia.com
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