Energiearmut ist kein Tabuthema mehr
Das Thema Energiearmut gewinnt in Deutschlands Innenpolitik immer mehr an Brisanz -vor allem wegen der stark steigenden Benzinpreise. Auch im Zuge des EU-Energiegipfels im Frühling 2011 in Brüssel wurde diese sensible Thematik angesprochen.
Was ist Energiearmut?
Eine Person oder ein Haushalt ist unmittelbar dann von Energiearmut betroffen, wenn regelmäßig Schwierigkeiten dahingehend auftauchen, die anfallenden Rechnungen für den alltäglichen Energiebedarf zu bezahlen. Darunter fallen etwa die regelmäßigen Rechnungen für den benötigten Strom, die Gasrechnung, die Heizkostenabrechnung oder die monatlichen Kosten für Benzin und Diesel.
Energiearmut ist in den meisten Fällen das Resultat einer langsamen, jedoch zugleich stetigen Veränderung der Lebenssituation. Zumeist ist sie das Ergebnis des Zusammenspiels von steigenden Energiepreisen, einer geringen Energieeffizienz in den jeweiligen Haushalten und eines geringen Einkommens.
Untersuchungen der Reallöhne in Deutschland etwa haben gezeigt, dass sich diese in den vergangenen 20 Jahren um bis zu 50 Prozent verringert haben. Inflationsbereinigt bedeutet dies beispielsweise für Berufskraftfahrer, dass diese um 21 Prozent weniger verdienen als noch 1990. Auch die Kaufkraft der Lehrer ist im selben Zeitraum um 21 Prozent gesunken. Informatiker müssen mit einem um 34 Prozent geringerem Einkommen das Auslangen finden; Ärzte gar mit 50 Prozent weniger Verdienst. Natürlich gab es auch einige Gewinner, so konnten Bankkaufleute, Anlageberater, Makler und Verwaltungsfachleute seit 1990 deutliche Reallöhn Steigerungen verzeichnen.
Wer ist von Energiearmut betroffen?
Gerade jene Haushalte, die nicht in den Genuss von Sozialtransfers kommen, sind zumeist stärker von der zunehmenden Energiearmut betroffen als jene Haushalte, die unter der Armutsgrenze leben. Das erscheint auf den ersten Blick zwar verwunderlich, ist aber unter anderem durch den Wegfall von Transferleistungen erklärbar. Kosten für die Ausbildung der Kinder oder die Einrichtung der Wohnung müssen in diesem Fall zur Gänze selbst getragen werden. Das nimmt einen großen Teil des verfügbaren Geldes in Anspruch. Als Folge davon steigt die Überschuldung der betroffenen Haushalte weiter an.
Verstärkt wird dieses gesellschaftliche Phänomen durch eine radikale Veränderung am heimischen Arbeitsmarkt. Unsichere Beschäftigungsverhältnisse, sinkende Reallöhne oder der Wegfall von Sonderzahlungen tragen ebenso zu einer Ausbreitung der Energiearmut bei. Zudem verschärfen lange Anfahrtswege zur Arbeitsstelle und die damit verbundenen Kosten die Situation zusätzlich. Insgesamt tragen die steigenden Kosten für Benzin und Heizöl zu einem wachsen der Energiearmut zu.
Jährlich 840.000 deutsche Haushalte ohne Strom oder Gas
Leider liegen zu diesem sensiblen Thema für Deutschland keine aktuellen Zahlen vor. Die letzte große Umfrage unter 23 Stadtwerken in Deutschland fand zuletzt im Sommer 2006 statt. Diese untersuchte die Zahlungsmoral und die Zahlungsfähigkeit der belieferten Privathaushalte und brachte teils ernüchternde Ergebnisse zu Tage.
Im Durchschnitt wird an die Bezahlung der offenen Energierechnung in 39 Prozent der Fälle mit einer Mahnung erinnert. Weiters kommt es durchschnittlich bei 2,1 Prozent aller Zähler zu einer Versorgungssperre, also zu einer Unterbrechung der Versorgung des jeweiligen Haushalts mit Strom oder Gas. Diese hohe Quote ist insofern bedenklich, da die Strom- oder Gassperre erst als letztes Mittel zur Einbringung einer offenen Rechnung seitens des Energieversorgers eingesetzt wird.
Hochgerechnet auf ganz Deutschland bedeutet dies, dass jedes Jahr 840.000 Haushalte vorübergehend nicht mit Strom oder Gas versorgt werden. Zusätzlich ergehen an die rund 40 Millionen Haushalte in Deutschland über 15 Millionen Mahnschreiben, die sich ausschließlich auf nicht bezahlte Stromrechnungen oder Gasrechnungen beziehen. Angesichts der gesellschaftlichen Entwicklung in den vergangenen Jahren kann davon ausgegangene werden, dass sich die oben genannten Zahlen in den letzten fünf Jahren weiter erhöht haben.
Es zeigt sich, dass gerade jene Haushalte, die von der Energiearmut betroffen sind, in der Regel nicht von sozialen Hilfestellungen leben oder gar keinen Anspruch darauf haben. Dennoch sind die finanziellen Mittel beschränkt.
Das wiederum bedeutet, dass oftmals größere Investitionen zum Einsparen von Energie, wie etwa die Anschaffung neuer Elektrogeräte, kurzfristig schlichtweg nicht möglich sind. Mögliche Nachzahlungen bei der jährlichen Abrechnung von Strom und Gas verschlechtern die Situation weiterhin. Sie münden nicht selten in weitere Zahlungsschwierigkeiten und damit wiederum in gesteigerte Energiekosten durch einen erneuten Zahlungsverzug. All dies führt dazu, dass sich der Effekt der Energiearmut kontinuierlich selbst verstärkt.
Für den einzelnen Haushalt ist es bereits eine große Hilfe, den eigenen Energiebedarf in kleinen Schritten zu senken beziehungsweise zumindest nicht weiter zu erhöhen. Dazu haben wir in unserem Bereich Strom sparen eine Vielzahl an Möglichkeiten aufgelistet.
Energieversorger und Gemeinden hingegen sind hier in einem weitaus größerem Maßstab gefordert. Alle Bemühungen zur Verbesserung der Energieeffizienz in privaten Haushalten scheinen bisher nur punktuellen Charakter zu haben. Hier müssen neue Kooperationen, etwa zwischen Gemeinden, Energieanbietern und Beratungsstellen (beispielsweise Schuldnerberatungen), geschlossen werden. Nur dann werden auch bundesweit positive Effekte zu verzeichnen sein. Ein offener und vorbehaltloser Umgang mit den Thema Energiearmut ist dabei ein erster und wichtiger Schritt in die richtige Richtung.
Tipp: Gerade in Zeiten der stetig steigenden Rohstoffpreise ist es äußerst empfehlenswert, nicht nur die regelmäßigen Strom- und Gasrechnungen zu kontrollieren. Auch die monatlichen Kosten für Benzin, Diesel oder Heizöl sollten im Auge behalten werden. EIn regelmäßiger Vergleich der Energiepreise kann über unsere Tarifrechner einfach und schnell erfolgen.