Spätestens seit Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder damit in die Schlagzeilen geriet, dass er kurz nach dem Regierungswechsel 2005 einen Posten bei der Nord Stream AG, einem Tochterunternehmen von Gazprom, übernehmen wollte, ist der russische Energiekonzern vielen ein Begriff. Fußballfans bringen den russischen Energiekonzern zudem mit dem Sponsering des Fußball Bundesligisten Schalke 04 in Verbindung.
Jetzt, im Zuge des Atomausstiegs, macht das vom russischen Staat kontrollierte Unternehmen wieder von sich reden: Mit Plänen, in den deutschen Strommarkt einsteigen zu wollen. Fast kommt es einem so vor, als hätten sie nur auf diesen Augenblick gelauert. Zu prompt nach dem beschlossenen Atomausstieg und der Energiewende kommen die Russen mit diesem Vorhaben um die Ecke.
Gazprom-Pläne klingen wie eine Kampfansage
„Es ist uns sehr, sehr ernst mit der Stromerzeugung auf dem deutschen Markt“, sagte der Vorstandsvorsitzende Alexej Miller Ende Juni 2011 auf der Hauptversammlung von Gazprom in Moskau. „Wir sind bereit, in neue Stromproduktion zu investieren, wir sind bereit, Anteile an bestehenden Kraftwerken zu kaufen. Aber noch liegen keine Angebote eines deutschen Unternehmens vor.“ Es gebe jedoch bereits Verhandlungen, so Gazprom-Sprecher Sergej Kuprianow.
Tage vor der Hauptversammlung hatte das größte Erdgasförderunternehmen der Welt bereits von den Wachstumsmöglichkeiten gesprochen, die sich nach der Energiewende in Deutschland böten. Nach dem beschlossenen Atomausstieg sollen nach dem Willen der Bundesregierung weitere Gaskraftwerke gebaut werden, die sicherstellen sollen, dass die Stromversorgung auch steht, sollten beim Ökostrom einmal Engpässe entstehen.
Gas-Nachfrage wird weiter steigen
Die Nachfrage nach Gas wird in den kommenden Jahren deutlich steigen. Und genau an dieser Stelle will Gazprom ansetzen, um in den deutschen Strommarkt einzusteigen, und so zusätzliche Einnahmen zu erwirtschaften. Die Pläne des Unternehmens konzentrieren sich hierbei hauptsächlich auf Beteiligungen an Gaskraftwerken, zum Beispiel bei E.ON oder RWE. Gazprom denkt ebenso darüber nach, bei unabhängigen Produzenten einzusteigen.
Bislang ist E.ON skeptisch, was den Bau von Gaskraftwerken angeht und führt die Großhandelspreise als Hauptgrund für seine Bedenken an. Und auch RWE will keine Gaskraftwerke bauen. Anders dagegen einige Stadtwerke wie in Düsseldorf, Bremen oder Ulm. Sie setzen auf Gaskraftwerke und entwickeln derzeit mit Hochdruck Baupläne.
Wie auch immer die Verhandlungen ausgehen werden. Eines zeichnet sich jetzt schon ab: Gazprom baut seine Gas-Exporte jetzt schon aus. Waren es 2010 noch 139 Milliarden Kubikmeter, so sollen 2011 rund 158 Milliarden Kubikmeter nach Europa ausgeführt werden. 2011 erwartet das russische Unternehmen ein Rekordergebnis von 41 Milliarden Euro vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen an. 2010 waren es rund 31 Milliarden Euro.
Der russische Energieriese Gazprom im Überblick
- Der russische Energiekonzern Gazprom ist das größte Erdgasförderunternehmen der Welt.
- Seine Reserven werden auf 1,33 Billionen Tonnen Gaskondensat und 1,8 Billionen Tonnen Erdöl geschätzt. Das macht einen Wert von zusammen 241,4 Billionen Dollar.
- Gazprom verfügt so über ein Sechstel aller wirtschaftlich gewinnbaren Gasvorkommen der Welt.
- Das Unternehmen beschäftigt rund 445.000 Mitarbeiter.
- 2009 förderte die Gazprom-Gruppe 461,5 Milliarden Kubikmeter Erdgas. Der Eigenbedarf von Gazprom liegt bei rund 50 Milliarden Kubikmeter jährlich.
- Pro Tag können bis zu acht Milliarden Kubikmeter Erdgas gefördert werden.
- Das Ferngasleitungsnetz von Gazprom ist 150.000 Kilometer lang. Es ist damit das größte der Welt. Insgesamt befinden sich gleichzeitig mehr als acht Milliarden Kubikmeter Erdgas im System.
- Gazprom beliefert 179 Verteilerstationen.
- Weil der Gasbedarf im Winter deutlich höher liegt als im Sommer, verfügt Gazprom über operative Lagerreserven. Im vergangenen Winter wurden sie zu 78 Prozent abgerufen.
- Bis 2020 sollen weitere unterirdische Gasspeicher erschlossen werden, in die im Sommer täglich bis zu einer Milliarde Kubikmeter Erdgas für spätere Lieferungen deponiert werden könnten.
Quelle: dapd