Die Strombörse in Deutschland – noch gar nicht so alt
Unter einer Strombörse versteht man einen Handelsplatz, an dem Strom angekauft und verkauft wird, ganz ähnlich einer Wertpapierbörse. Über die Energiebörse in Leipzig, auch EEX (European Energy Exchange) genannt, wird letztlich der Preis bestimmt, den Verbraucher für ihren Strom zahlen. Die Preise ergeben sich, wie immer in der freien Marktwirtschaft, aus dem Zusammenspiel von Nachfrage und Angebot. Mehrere hundert Handelsteilnehmer aus über 30 Ländern kaufen und verkaufen in Leipzig Strom, Erdgas und weitere Produkte. Dadurch, dass ausschließlich Energie gehandelt wird, bestehen bessere Vergleichsmöglichkeiten zwischen einzelnen Produkten.
Die deutsche Energiebörse hat seit 2002 ihren Sitz in Leipzig. Zuvor war die EEX in Frankfurt am Main ansässig, wo sie im Jahr 2000 gegründet worden war. Zwei Jahre später siedelte die EEX nach der Fusion mit der Strombörse Leipzig Power Exchange (LPX) nach Sachsen um. Gemessen an ihrem Handelsvolumen gilt die Leipziger Strombörse heute als führender Energiehandelsplatz in Europa. Seit Jahren plant die Europäische Kommission, eine einheitliche europäische Strombörse zu formen, doch ist ihr das bisher noch nicht gelungen.
Wie kommt der Strompreis an der Strombörse zustande?
Der Index, der für den Strompreis maßgeblich ist, nennt sich „Physical Electricity Index“, kurz „Phelix“. Er bildet den Referenzpreis für unterschiedliche Zeiträume.
Es gibt zweierlei Arten, auf die Elektrizität an der Strombörse gehandelt wird: das Spot- und das Termingeschäft. Der Unterschied zwischen beiden liegt im unterschiedlichen Lieferzeitraum. Spotgeschäft bezeichnet den kurzfristigen Handel mit Strom. Bis 30 Minuten vor dem Liefertermin können Börsenteilnehmer noch hinzukaufen. So können sie plötzlich aufgetretene Strom-Engpässe ausgleichen, aber auch Überkapazitäten abstoßen. Ab 15 Uhr können Teilnehmer mit dem Handel für den Folgetag beginnen. Die Preise variieren von Tag zu Tag, gemessen an Angebot und Nachfrage.
Am Terminmarkt setzen die Teilnehmer dagegen auf langfristige Geschäfte. Hier werden so genannte „Phelix-Futures“ gehandelt. Das sind Verträge mit Laufzeiten von bis zu sechs Jahren. Stromerzeuger bzw. –lieferanten, die am Terminmarkt kaufen, können so mit sichereren Preisen kalkulieren und haben mehr Sicherheit und geringere Risiken. Der Preis, der für Terminverträge zugrunde gelegt wird, orientiert sich am Spotmarkt.
Übrigens: Die Vorstellung, dass die gesamte Strommenge, die in Deutschland produziert und verbraucht wird, an der Strombörse gehandelt wurde, ist falsch. Nur ein geringer Prozentsatz des Stromes werden an der EEX umgeschlagen. Der große Rest stammt aus direkten Lieferverträgen zwischen Stromerzeugern und -abnehmern. Dabei wird auch oft der Begriff OTC-Handel verwendet, was für „Over The Counter“ steht und übersetzt bedeutet: über den Ladentisch. Diese Verträge werden außerbörslich geschlossen und haben eine mittel- bis langfristige Laufzeit.
Wenn Energieversorger als Argument für Strompreiserhöhungen die gestiegenen Preise an der Strombörse ins Feld führen, dann ist dies also kaum zutreffend, da die Preise dort zum einen keineswegs immer weiter gestiegen sind. Zum anderen wird eben nur ein kleiner Teil der Elektrizität über die Strombörse gehandelt. Den meisten Strom bekommen Verbraucher durch Direktverträge, über deren Inhalte und Konditionen sich die Energieversorger erwartungsgemäß bedeckt halten.
Das Argument von Preissteigerungen an der Strombörse wird noch unglaubwürdiger, wenn es von Versorgern kommt, die ihre eigenen Kraftwerke betreiben. Denn die sind dadurch noch unabhängiger von Preisentwicklungen. Letztlich macht der Großhandelspreis weit weniger als ein Drittel des Endpreises aus. Laut Monitoringbericht 2021 der Bundesnetzagentur und des Bundeskartellamtes entfallen nur 26 Prozent des Strompreises auf die Beschaffung, den Vertrieb und die Gewinnmarge. Der größte Kostenanteil fällt demzufolge auf die Netznutzung, Steuern und Umlagen.
Handelsraum an der Strombörse EEX © Bild Christian Hüller
Energiebörsen – nicht immer ein sauberes Geschäft
Energiebörsen stehen häufiger in der Kritik. Vor allem viele Verbraucher beäugen die Handelsgeschäfte oftmals argwöhnisch. Zu undurchschaubar sind die Geschäfte für sie, zu willkürlich und unglaubwürdig erscheinen Stromkunden die Preiserhöhungen. Und in der Tat hat die Geschichte gelehrt, dass Energiebroker bei ihren Geschäften nicht unbedingt nur das Wohl des Verbrauchers im Blick haben.
So meldete der US-Konzern Enron 2001 Insolvenz an. Das Unternehmen hatte Mitte der 80er Jahre für Furore gesorgt, weil es das erste Unternehmen war, das Energie kaufte und verkaufte. Später jedoch verstrickte es sich zunehmend in Marktmanipulationen. Enron hatte durch fingierte Spekulationen und gefälschte Bilanzen vermeintliche Strom-Engpässe geschaffen und so künstlich die Preise in die Höhe getrieben. Das Unternehmen hatte bei seinem Tun nahezu freie Hand, eine staatliche Kontrolle gab es nicht. Schließlich verspekulierte sich das Unternehmen und ging 2001 in Konkurs.
Auf Grund stärkerer Kontrollen halten viele derartige Manipulationen in Europa für unwahrscheinlich. Dennoch gab es auch in Deutschland schon mal Gerüchte um Preisabsprachen. So gerieten Mitte 2005 die vier Energieriesen E.ON, EnBW, Vattenfall Europe und RWE ins Visier der Kritik, Preise manipuliert zu haben.
Und 2007 berichtete das ZDF-Magazin „Frontal21“ über Marktmanipulationen im großen Stil am britischen Energiemarkt, woraufhin der Strompreis auf der Insel in die Höhe schnellte. Zwar beeilten sich die Verantwortlichen zu erklären, dass die Preise am deutschen Strommarkt eher unauffällig, beziehungsweise dass sie generell überall gestiegen seien. Jedoch ist es nach Meinung von Fachleuten ein Leichtes, das Preisniveau hochzutreiben. Für einen Strommarkt, der Angebot und Nachfrage realistisch abbildet, müssten sich mehr Händler auf dem Parkett der Strombörse bewegen. An der Leipziger Strombörse sind nur etwa 250 Teilnehmer aktiv. Dazu gehören Energieunternehmen und Stromhändler. Der Vorwurf illegaler Preisabsprachen stand und steht daher immer wieder im Raum.
Nicht immer sind die Entwicklungen an der Strombörse für den Verbraucher durchschlagend. So haben insbesondere das mittlerweile große Angebot an erneuerbaren Energien häufig dafür gesorgt, dass die Börsen Strompreise gefallen sind. Die Verbraucher profitierten hiervon allerdings nicht, da viele Stromanbieter die günstigen Preise nicht weitergaben. Auch der Wegfall der EEG-Umlage im Juli 2022 hat nichts am kontinuierlichen Anstieg des Strompreises geändert.
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