Strompreis-Dossier Teil 5: Strompreise im europäischen Vergleich

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Die Strompreise im europäischen Vergleich

Viel ist geschrieben worden von den hohen Strompreisen in Deutschland – und das, obwohl der Markt doch bereits seit 1998 liberalisiert ist. Von einem hart umkämpften Wettbewerb ist man nach wie vor weit entfernt. Lediglich in den ersten beiden Jahren nach der Liberalisierung waren sinkende Preise zu verzeichnen, bevor die Kosten bis zum heutigen Tag nahezu kontinuierlich anstiegen. Ein Blick über den Tellerrand kann selten schaden. Wie entwickelten sich die Strompreise im Rest von Europa? Wo steht Deutschland im Vergleich? Hier erfahren Sie die Antworten.

Strommasten von Hochspannungsleitungen bei Sonnenuntergang © electricity pylons, fotolia.com
Strommasten von Hochspannungsleitungen bei Sonnenuntergang © electricity pylons, fotolia.com

Europaweit große Unterschiede bei den Strompreisen

Nach Belgien oder Dänemark auswandern? Für die meisten Leser wäre das sicherlich keine Alternative, und es brächte auch wenig. Die Strompreise in diesen drei Ländern waren im zweiten Halbjahr 2017 die höchsten in der EU. Die größten Steigerungen waren 2016 in Belgien und Norwegen zu verzeichnen, während der Wert in Deutschland nur leicht stieg – allerdings auf zuvor schon hohem Niveau. Die Niederlande und Zypern konnten sich dagegen über signifikant gesunkene Strompreise freuen. Im europäischen Durchschnitt kostete Haushaltsstrom 2017 rund 20 Cent pro Kilowattstunde, in Deutschland waren es etwa zehn Cent mehr. Am billigsten war Strom 2017 in Bulgarien, Litauen und Ungarn.

Land  Durchschnittspreis in Cent pro 1 kWh (2. Hälfte 2017)
EU28 20,5
Euroraum 21,8
Deutschland 30,4
Dänemark 30,1
Belgien 28,8
Irland 23,6
Portugal 22,3
Spanien 21,8
Italien 20,8
Schweden 19,9
Österreich 19,8
Ver. Königreich 18,6
Zypern 18,3
Frankreich 17,6
Luxemburg 16,2
Griechenland 16,2
Norwegen 16,1
Slowenien 16,1
Finnland 16,0
Lettland 15,8
Niederlande 15,6
Island 15,2
Tschech. Republik 14,9
Polen 14,5
Slowakei 14,4
Malta 13,6
Estland 13,2
Rumänien 12,9
Kroatien 12,4
Ungarn 11,3
Litauen 11,1
Montenegro 10,0
Bulgarien 9,8
Türkei 9,6
Albanien 8,6
Bosnien & Herzegowina 8,5
EJR Mazedonien 8,1

Die Strompreise beziehen sich auf Preise für Haushalte mit einem jährlichen Verbrauch zwischen 2 500 und 5 000 kWh und schließen Steuern mit ein. Diese Preise werden mit dem nationalen Haushaltsverbrauch gewichtet, um den EU Durchschnitt zu ermitteln. Die endgültigen Preise, die den Stromverbrauchern berechnet werden, sind abhängig von der Struktur der Stromtarife und Stromverträgen, welche normalerweise eine Reihe von Faktoren beinhalten, einschließlich fester Gebühren und Preise pro Einheit, welche je nach Strommenge und Tageszeit des Verbrauchs variieren, Quelle: Eurostat


Haushalts Strompreis Europa mit Steuern und Abgaben, 2. Jahreshälfte 2017 © Bild Eurostat


Haushalts Strompreis Europa mit Steuern und Abgaben 2. Jahreshälfte 2017 © Bild Eurostat

Steigende Strompreise bedeuten wachsendes Risiko für deutsche Wirtschaftskraft

Hohe Strompreise sind schlecht für die Wirtschaft und stellen für zunehmend viele Verbraucher ein Problem dar. Insbesondere Arbeitslose und sozial benachteiligte Haushalte können den stetig steigenden Zahlungsverpflichtungen immer seltener nachkommen. Wiederholt wurde der Ruf nach speziellen Sozialtarifen für diese Kundengruppen laut, doch hat sich in Deutschland bisher wenig getan.

Bei der Wirtschaft sieht das anders aus. Die deutschen Unternehmen stehen nicht nur im europäischen, sondern im globalen Wettbewerb. Besonders für energieintensive Betriebe würde ein zu hoher Strompreis einen entscheidenden Standortnachteil bedeuten. Aus diesem Grund räumte der Gesetzgeber der Industrie zahlreiche Privilegien ein. Sie führen dazu, dass der Strompreis für die Industrie derzeit wesentlich niedriger liegt als bei den Privatkunden. Lesen Sie hierzu bitte auch das Kapitel „Vergleich der Strompreise für Privathaushalte und Industriekunden“.

Viele Faktoren beeinflussen den deutschen Strompreis

Die Gründe für die hohen Strompreise in Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Staaten sind vielfältig. Verbraucher können ihren Beitrag dazu leisten, dass der Anstieg zumindest ein wenig abgebremst wird. In vielen Fällen können sie ihre eigene Stromrechnung sogar senken. Entscheidende Faktoren für den Kostenanstieg sind:

  • Die künstliche und natürliche Verknappung von Energiequellen. Deutschland hat sich für die Energiewende entschieden und schaltet seine Atomkraftwerke sukzessive ab. 2022 soll das letzte vom Netz gehen. Fossile Ressourcen wie Braun- und Steinkohle sind endlich. Ihre Erschließung und Förderung wird zunehmend kostspieliger und komplexer. Einem immer kleiner werdenden Angebot steht eine nach wie vor große Nachfrage gegenüber. Das wird die Preise auch künftig treiben.
  • Trotz vieler Bemühungen der Politik und der Liberalisierung des Strommarktes herrscht kein funktionierender Wettbewerb. Immer noch ist ein Großteil der deutschen Stromversorgung in den Händen der vier großen Energiekonzerne EnBW, E.on, Vattenfall und RWE. Dieses überschaubare Angebot ähnelt jenem an den deutschen Tankstellen. Zwar sind Absprachen kartellrechtlich verboten, aber warum sollte eine Krähe der anderen ein Auge aushacken?
  • Abenteuer Energiewende. Die für den kompletten Atomausstieg nötige Infrastruktur, etwa der Netzausbau, kostet viel Geld. Wie viel genau, lässt sich kaum seriös abschätzen, und es gibt keinerlei Vergleichswerte aus anderen Ländern. Über die EEG-Umlage wird bereits heute ein Teil des Strompreises für die Förderung erneuerbarer Energien verwendet. Inwieweit die Ausbaukosten auf die Verbraucher umgelegt werden, hängt unter anderem von der Geschäftspolitik der Energiekonzerne ab. Diese nutzen das Argument der Energiewende jedoch auch gerne, um damit andere Kostensteigerungen zu begründen. So müssen die Erneuerbaren immer wieder als Sündenbock für eine verfehlte Geschäftspolitik vergangener Jahre herhalten.
  • Auch der Verbraucher selbst kann den Strompreis beeinflussen. Viele beziehen ihren Strom immer noch zum Standard-Tarif des örtlichen Grundversorgers. Der ist in der Regel sowohl teurer als Sondertarife des gleichen Versorgers als auch im Vergleich zu Tarifen anderer Anbieter. Je mehr Haushalte sich nach Alternativen umschauen und teuren Versorgern den Rücken kehren, umso schneller dürfte das zu einem Umdenken in der Preispolitik führen. Kunden verliert kein Unternehmen gerne. In den meisten Fällen wird mit einem Wechsel nicht nur der Wettbewerb unterstützt, sondern auch die eigene Stromrechnung gesenkt.
  • Last but not least ist die Staatslast ein entscheidender Faktor des Strompreises. Zwar wurde hier in den vergangenen Jahren kaum an der Preisschraube gedreht, aber einige Abgaben richten sich nach variablen Grundwerten. Wenn diese steigen, steigt auch die Steuerlast. Dies wird am Beispiel der Mehrwertsteuer deutlich: 19 Prozent von einem Netto-Strompreis von 100 Euro bedeuten Abgaben in Höhe von 19 Euro. Bei einem Strompreis von 200 Euro sind es bereits 38 Euro. Auch wenn der Mehrwertsteuersatz unverändert bleibt, steigt die Staatsabgabe mit den höheren Stromkosten.

Die Beschaffungskosten spielen übrigens wider Erwarten keine große Rolle bei der hiesigen Preisgestaltung. In Deutschland wurden sinkende Großhandelspreise in der Regel nicht an die Verbraucher weitergegeben.

Strompreise im weltweiten Vergleich

Weltweit sind die die europäischen Strompreise in der Spitzengruppe. Nach einer Berechnung International Energy Agency (IEA) hat Deutschland nach Dänemark weltweit die zweithöchsten Strompreise. Im Vergleich zu den Industrienationen USA (12,5 Cent) und Südkorea (10 Cent) sind die europäischen Strompreise deutlich teurer, wobei es in den USA starke regionale Unterschiede gibt, und der Strommarkt in Südkorea in den Händen eines Quasi-Monopolisten liegt.

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