Über 500.000 Kunden sind von der Insolvenz von Flexstrom und der beiden Tochtergesellschaften Optimalgrün und Löwenzahn Energie betroffen. Fast täglich wird derzeit über die neuesten Entwicklungen bei dem Stromversorger und die möglichen Folgen für die Verbraucher berichtet. Trotz allem Ärger über die Unannehmlichkeiten und die eventuellen finanziellen Folgen der Insolvenz für die eigene Haushaltskasse gilt zunächst: Ruhe bewahren. Wir erklären, welche Auswirkungen die Pleite konkret auf die Kunden hat und was in den kommenden Monaten zu beachten ist.
Warten auf das Insolvenzverfahren
Die schlechte Nachricht gleich vorweg: Bereits bezahlte Beiträge sind aller Voraussicht nach verloren. Flexstrom bot sehr günstige Tarife an, die sie sich von den Kunden vorfinanzieren ließen. Oft zahlten diese ihre Stromrechnung bis zu ein Jahr im Voraus. Vielen wurde dafür eine Bonuszahlung am Jahresende zugesichert. Das Flexstrom-Vermögen ist nun Teil der Insolvenzmasse, aus der die Gläubiger im Rahmen des Insolvenzverfahrens bedient werden sollen. Die Erfahrung zeigt, dass dabei aufgrund des Mangels an Insolvenzmasse in der Regel höchstens ein Bruchteil des geforderten Betrags zurückgezahlt werden kann. Die aktuellen Angaben auf der Flexstrom-Homepage sprechen eine eindeutige Sprache: „Sofern Sie die Forderung zur Aufnahme in die Insolvenztabelle anmelden, wird am Ende des Insolvenzverfahrens (nicht vor Ende 2017) ggfs. eine Quotenzahlung auf Ihre Forderung erfolgen.“
Der bestellte Insolvenzverwalter Christof Schulte-Kaubrügger von der White & Case Insolvenz GbR wird das Insolvenzverfahren aller Voraussicht nach am 1. Juli 2013 eröffnen. Solange Flexstrom noch Strom liefert, ändert sich zunächst einmal nichts am abgeschlossenen Vertrag. Somit haben die Kunden auch kein Sonderkündigungsrecht und sind weiter zur Zahlung von fälligen Beiträgen verpflichtet.
Wann betroffene Kunden tätig werden sollten
Die Situation ändert sich, wenn der Insolvenzverwalter bekanntgibt, die Geschäfte nicht mehr weiter fortzuführen. Gleiches gilt, wenn die regionalen Netzbetreiber Flexstrom oder den Tochtergesellschaften den Zugang zum Netz verweigern, da sie befürchten, ihre Leistungen nicht mehr bezahlt zu bekommen. In beiden Fällen geht das Licht jedoch nicht aus. Der Grundversorger, das heißt der Energieversorger, der in seinem Netzgebiet die Mehrzahl der Haushaltskunden versorgt, springt dann automatisch ein. In der Regel sind das die örtlichen Stadtwerke.
In diesen Fällen sollten Verbraucher aktiv werden, denn die Grundversorgungstarife sind meist teuer. Bei Einstellung der Stromlieferung, von der sie gegebenenfalls durch den Netzbetreiber informiert werden, haben sie ein fristloses Kündigungsrecht gegenüber Flexstrom. Sind Kunden bereits beim Grundversorger gelandet, besteht eine zweiwöchige Kündigungsfrist gegenüber diesem. Ein kurzfristiger Wechsel zu einem anderen Anbieter oder in einen günstigeren Tarif des Grundversorgers ist also problemlos machbar. Eine ordentliche Kündigung des Flexstrom-Vertrags unter Berücksichtigung der vertraglichen Fristen ist natürlich nach wie vor möglich.
Welche Anbieter kommen infrage?
Wechselwillige Verbraucher sollten die Insolvenz dazu nutzen, sich über ihre Anforderungen an einen Stromanbieter im Klaren zu werden. Die Geschäftsmodelle von Teldafax und Flexstrom beruhten zu einem großen Teil auf Vorkasse-Tarifen, deren Nachteile im Falle einer Pleite deutlich zu Tage treten. Auch Bonus-Zahlungen sind mit Vorsicht zu genießen. Immerhin: Der Bundesgerichtshof urteilte am 17. April 2013, dass Flexstrom zur Zahlung umstrittener Wechselboni verpflichtet ist (Az.: VIII ZR 225/12 und VIII ZR 246/12). Auch hier ist jedoch fraglich, ob die Kläger unter dem Strich tatsächlich entschädigt werden.
Lockvogel-Angebote oder Tarife, bei denen man in Vorleistung treten muss, sollten besser nicht berücksichtigt werden. Darüber hinaus ist das Finanzielle nur ein Argument unter vielen: So spielt die ökologische, soziale oder regionale Verantwortung des Anbieters für immer mehr Verbraucher eine mindestens ebenso wichtige Rolle.
Retten, was zu retten ist
Vorsicht ist bei noch ausstehenden Zahlungen geboten. Solange Flexstrom oder die Tochtergesellschaften liefern, muss diese vertragliche Leistung bezahlt werden. Erteilte Einzugsermächtigungen sollten jedoch umgehend widerrufen werden. Stattdessen sollten betroffene Verbraucher lediglich die jeweils ausstehenden Beträge an den Insolvenzverwalter überweisen.
Vorkasse-Kunden, bei denen in den nächsten Wochen die nächste Quartals- oder Jahresabschlagszahlung vor der Tür steht, sollten nicht bedenkenlos überweisen. Die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz empfiehlt, auf monatliche Zahlungsweise umzustellen und den Stromanbieter per Einschreiben mit Rückschein darüber zu informieren, dass eine Vorauszahlung für ein ganzes Jahr unter den gegebenen Umständen nicht mehr zumutbar sei. Lastschriften, die kurz vor der Insolvenz abgebucht worden sind, können innerhalb von acht Wochen zurückgebucht werden. Allerdings gilt auch hier, dass fällige Leistungen, am besten monatlich, bezahlt werden müssen.
Wer Forderungen gegenüber Flexstrom, Optimalgrün oder Löwenzahn anmelden will, muss sich noch gedulden. Der Insolvenzverwalter wird sich zu gegebener Zeit mit allen Gläubigern in Verbindung setzen und das Prozedere auch auf der Flexstrom-Internetseite bekanntgeben. Die Forderungen müssen schriftlich und unter Angabe der gerichtlichen Aktenzeichen 36fIN 1569/13 (Flexstrom), 36lIN 1572/13 (Löwenzahn Energie) beziehungsweise 36oIN 1577/13 (Optimalgrün) eingereicht werden. Auch wenn es in den Fingern juckt: Forderungen, die vor der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens angemeldet werden, sind unwirksam.
Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, dass Flexstrom und die Tochterunternehmen vor einem möglichen Verfahren von einem Wettbewerber übernommen werden. Bei der Tochtergesellschaft Flexgas ist dies bereits geschehen, sie ist von dem Finanzinvestor AKO Capital übernommen worden und wird unter dem Namen Fair Trade Gas fortgeführt. Für die Kunden ändert sich in diesem Fall nichts, die Verträge gelten weiterhin.